Dienstag, 2. April 2013

Scandinavien Winter Experience 2013/2



Die Königsdisziplin - Hundeschlitten fahren

Endlich ist der heiß ersehnte Tag gekommen, wo ich zum ersten mal einen eigenen Schlitten steuern kann. Ich bin bisher schon viel mit meinen eigenen beiden und dem Trainigsroller unterwegs gewesen. Im Herbst vorigen Jahres hatten wir von unserer Helga den kleinen Border Colli für 3 Wochen in Pflege. Da sind wir im dreier Gespann gefahren. Der Border zog wie ein Alaskan Husky. Das war einfach genial. Aber hier in Nordschweden Schlitten fahren, das ist die Königsdisziplin.


Der Huskykennel

Wir hatten uns zu 10:00 Uhr bei den Holländern in Järvsand verabredet, meine Frau sollte mich hinfahren und den ganzen Ablauf fotografieren. 


Mein Guide und meine Doghandlerin
Für letzteres werde ich wohl noch eine gründliche Schulung machen müssen. Erst steht sie beim Fotografieren ungünstig hinter mir und dann erklärt sie mir noch, dass sie nicht so viele Bilder will. Es ist zum Haare raufen. Ich erkläre ihr eilig, dass man Bilder die nichts sind löschen kann, aber die, die man nicht macht, die sind dann auch nicht da.









Das Einspannen der Hunde

Von unserem Bekannten Wim, ein anderer Holländer der gleich nebenan wohnt, bekomme ich einen Schlitten geliehen. Mein Guide hat nur seinen eigenen und ist auch nicht so richtig für Touren mit zwei Personen ausgerüstet.  



Es geht an das Anspannen der Hunde. Der Schlitten wurde, damit er mit den aufgeregten Huskys nicht vorher losschießt, mit Schneeankern fest gemacht und die Leinen sind ausgelegt. 



Das Anschirren der Hunde geht recht flott vonstatten und jeder bekommt seinen Platz im Gespann. Es sind Sibirer und Alaskan Huskys. 


Kurz vor dem Start

Sie können es kaum erwarten und der Schlitten fängt an zu rucken. Ich stehe fest auf der Bremse, bekomme noch einen Bauchgurt um, der über ein Seil mit dem Schlitten fest verbunden ist und die Holländerin unsere Doghandlerin zieht die Schneeanker.


Endlich geht`s los


Die Hundemeute hat solch eine Kraft, dass sie den Schlitten stückchenweise nach vorn ziehen. Ich nehme den Fuß von der Bremse und die ungestüme Kraft meiner fünf Huskys entlädt sich auf den Trail. Dieser ist durch die kalte Nacht noch hart gefroren und dementsprechend glatt und schnell. 



Am Anfang stehe ich nur auf der Bremsplatte um Geschwindigkeit heraus zu nehmen. 



Der Trail ist sehr wellig und der Schlitten schlägt jedes Mal nach einer Bodenwelle hart auf. Ich stehe gut und habe keinerlei Probleme. 



Wir passieren nach mehreren hundert Metern vom Kennel die Straße nach Havsnäs und fahren direkt in Richtung Berge. Es kommt ein Aufstieg, der es in sich hat und auch von mir einiges abverlangt. Es geht steil nach oben und es ist Schlitten schieben angesagt. Ich laufe hinterher und halte immer mit einer Hand den Schlitten fest. Sobald es etwas flacher wird geht es in den Laufschritt über und ich springe auf den Schlitten. Der Bauchgurt den mir meine Doghandlerin umgelegt hat, kommt bei unserer Tour - Gott sei Dank - nie zum Einsatz. Zu diesem Teil habe ich auch kein Vertrauen, denn sollte ich mit dem Schlitten umkippen, würde ich hinterher geschleift und hätte ein großes Verletzungsrisiko. Ich merke wir es mir immer wärmer wird. Die Handschuhe habe ich schon unter die beide Schneeanker geklemmt und meine Mütze findet derweil ihren Platz in der Jackentasche. Der Reisverschluss der Jacke ist nun offen und Abkühlung ist wohl noch nicht in Sicht. 




Es geht weiter bergauf. Als wir oben angekommen sind, gibt es die erste Pause für die Hunde, die sie sich das auch redlich verdient haben. Ich bin mir jetzt ziemlich unschlüssig ob ich noch etwas ausziehe. Meinen Guide fragen? Nein, die Blöße wollte ich mir auch nicht geben. Da er auch keine Anstalten macht nehme ich es so hin. Nach einer kleinen Weile brechen wir wieder auf.






Pause für alle nach dem schweren Anstieg



 Als wir auf freie Flächen kommen, merke ich doch recht schnell wozu eine Mütze gut ist. Hier oben bläst der Wind ganz schön. Wir fahren durch eine traumhafte Winterlandschaft. Der Schnee hat alles weich zu gedeckt, keine harten Kanten alles abgerundet. Es sieht alles so friedlich aus. Wald und Freiflächen wechseln sich ab. Mein Guide ist mittlerweile  zweihundert Meter voraus. Mich stört das nicht. Ich bin nicht auf Tempo aus sondern genieße die Landschaft. Das gleichmäßige Trappeln der 20 Hundepfoten und das schneidende Geräusch der Schlittenkufen bestimmen die Geräuschkulisse. 





Ab und zu bricht die Sonne durch die Wolken und taucht alles in ein gleißendes Licht. Was für eine schöne Fahrt. So wie ich es mir schon immer gewünscht haben. Ich stehe auf den Schlitten, als ob ich es schon immer getan habe. Es kommt mir alles so vertraut vor. Ich bin einfach nur überglücklich. Nach einer ganzen Weile habe ich meinen Guide wieder eingeholt oder hat er auf mich gewartet? Er fängt jetzt an meine Hunde anzufeuern. Ich habe nicht das Gefühl, dass sie das bräuchten aber wir werden schneller. Der Trail windet sich in S-Kurven durch den Wald. In den Kurven rutscht der Schlitten immer mal wieder in den Tiefschnee aber die Hunde bringen ihn immer wieder auf Spur. Es geht immer wieder leicht bergauf und -ab bis wir nach einer längeren Gefällestrecke eine scharfe Linkskurve auf den Ursvattnet fahren. So wie sich mein Guide vor mir in die Kurve legt, so abrupt bremse ich mein Gespann um nicht umzukippen und um ebenfalls auf den See zu fahren. Ab hier fahre ich nun auch wieder mit Handschuhen. Der See ist mit Stöcken markiert. Hier fahren auch viele Schneescooter auf der Eisstraße entlang. Am Ufer des Sees stehen viele kleine Ferienhütten der Schweden. Die meisten in den traditionellen Farben rotbraun und weis. Manche sind aber auch in blaugrau. Nirgendwo steigt Rauch auf. Alles ist verlassen. Die Schweden nutzen ihre Häuschen nur am Wochenende. Vom nächsten Ort bis hier hoch sind es ca. 25 km. Die Straßen hier her auf das Hochplateau sind alle vom Schnee geräumt. Ein ganz schöner Aufwand für diese paar Hütten.
Auf der anderen Seite des Sees machen wir Pause. Die Hunde werden zuerst versorgt und bekommen jeder ein Stück gefrorenen Lachs. Wir trinken Kaffee und Tee, essen Kekse und sitzen auf einem kleinen Anglerhocker. 





Etwas wackelig, da sich die Stuhlbeine in den Schnee bohren, aber es geht. Mein Blick schweift zurück. Der Schnee glitzert im Sonnenlicht und die Temperaturen sind bis auf -4 Grad gestiegen. Die Hunde dürfen dafür etwas länger Pause machen. Wir kontrollieren bei allen die Pfoten. Bei einigen setzen sich Eisklumpen zwischen die Ballen. Die ziehen wir heraus. Ich frage, ob er Bootis für die Hunde hat. Er nimmt sie nur, wenn er ganze Tagesetappen oder Rennen fährt. Nachdem die Hunde gefressen haben, werden sie wieder etwas unruhiger. Sie wollen wieder laufen. Der Start verläuft diesmal nicht ganz so ruckartig. Nachdem ich die Schneeanker gezogen habe, setzt sich mein Gespann in Bewegung. Es geht weiter durch Traumlandschaften.



Unser Trail führt nun auf einem Scooterweg durch eine sanft hügelige Landschaft weiter über Freiflächen, durch dichte Kiefernwälder und wieder über vereiste Seen. Die Fahrt über die Seen ist herrlich entspannend. Der Schlitten gleitet über den Schnee, ich höre nur das rhythmische Getrappel der Hundepfoten und ihren Atem. Wenn es bergauf geht, gebe ich mit dem Fuß Schwung. Die Bremsplatte habe ich hochgeklappt. So kann ich besser auf dem Schlitten stehen und Schwung holen. Diese werde ich erst wieder brauchen, wenn wir aus den Bergen zurück fahren. Geht es hier mal kurz abwärts, so tippe ich ganz dezent die Krallenbremse an. Sie funktioniert ja wesentlich präziser.
Bei unserer Fahrt, fallen mir immer wieder diese zerbrechlich wie weißes Glas wirkenden Birken auf. Manche sind durch die Last des Schnees so zur Erde gebogen, dass die Krone schon aufliegt und durch Neuschnee eingeschneit ist. Eine Birke die sich verbeugt? Eine Dienerbirke? Unwirklich stehen sie da und die Farbübergänge des Himmels, das tiefe Blau, die weißen Wolken im Hintergrund und der strahlend weiße Schnee komplettieren diese Faszination, der man hier immer wieder unterliegt.
In der Stille der Natur verliert manches so scheinbar Wichtige seine Bedeutung. So kitschig wie dieser Satz wohl auch klingen mag, hier hat er meinen Nerv getroffen.



Diese wunderbare Winterwelt fernab der Zivilisation kein Lärm, keinen Hektik, kein Stress. Ich wünschte dieser Tag möge nie zu Ende gehen. Leider merke ich am Stand der Sonne, dass wir die Richtung gewechselt haben und es wieder heimwärts geht. Schneller als erhofft kommen wir an die Passage, wo wir auf der Hinfahrt schieben mussten. Nun heißt es aufpassen und die Bremse wird bergab zu meinem wichtigsten Begleiter. Nicht auszudenken, wenn der Schlitten von hinten in die Hunde fährt oder es uns in einen der zahlreichen scharfen Kurven heraus schleudert. Mein Guide ist verschwunden mit einem Affenzahn den Berg runter. Meine Hunde wollen nun mit aller Macht hinterher. Ich weiß dieses aber gekonnt zu unterbinden. Was hat er wohl für ein Vertrauen zu mir? Er kennt mich gar nicht und vertraut mir fünf seiner Hunde an. Ich bringe diese Hunde ordentlich nach unten. 



Er wartet auf mich und lächelt verschmitzt. Was soll ich davon halten? Wir fahren weiter und nach zehn Minuten sind wir am Kennel angekommen. Seine Frau steht schon da und empfängt uns. Ihre erste Frage gilt mir. Wie oft bist Du hingefallen? Verwundert schaue ich sie an und antworte ihr: "Gar nicht". Sie tauscht einen kurzen Blick mit ihrem Mann. In mir kommt da so ein Gefühl hoch. Haben beide gewettet, wie oft ich mit dem Schlitten umfalle?  Gut, wenn ich da beide enttäuschen muss - grinse ich innerlich. Vielleicht täuscht mich mein Gefühl auch.



Es war eine wunderbare Tour, die nicht hätte schöner sein können. Die Rahmenbedingungen wie Sonnenschein und Temperatur waren ideal. Die Hunde haben ihr Bestes gegeben und es gab keinen unangenehmen Zwischenfall. Der einzigste Wehmutstropfen, ich muss jetzt Abschied nehmen. 



In mir fängt es aber jetzt an zu arbeiten und wird mich wohl lange Zeit nicht mehr los lassen. Da müsste noch ein dritter Malamute unser kleines Rudel verstärken und später vielleicht auch ein Vierter. Der Huskyvirus hat mich befallen. Die Holländerin hatte mich vorher gewarnt.

Im Internet kann man oft den Satz lesen: Gebt mir Hunde, gebt mir Schnee mehr brauche ich nicht…




Wim`s Huskybande


1 Kommentar:

  1. Liest sich toll---ich hab mich sofort wieder an meine Tour im Januar erinnert. Bis dahin fand ich Hundeschlitten eher mittelspannend. Jetzt WILL ICH NOCHMAL!!! Gebt mir Schnee :-)

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